„Der wahre Zweck des Menschen […] ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen. Zu dieser Bildung ist Freiheit die erste, und unerlässliche Bedingung. Allein außer der Freiheit, erfordert die Entwickelung der menschlichen Kräfte noch etwas anderes, obgleich mit der Freiheit eng verbundenes, Mannigfaltigkeit der Situationen.“1
So eröffnet Wilhelm von Humboldt seinen Aufsatz Wie weit darf sich die Sorgfalt des Staats um das Wohl seiner Bürger erstrecken? Der 1792 in Schillers Zeitschrift >>Neue Thalia<< erschien. Die Mannigfaltigkeit, die Diversität der Situationen, ist für ihn unerlässlich für eine gute Bildung.
„Gerade die aus der Vereinigung Mehrerer entstehende Mannigfaltigkeit ist das höchste Gut, welches die Gesellschaft gibt, und diese Mannigfaltigkeit geht gewiss immer in dem Grade der Einmischung des Staats verloren. […] Gleichförmige Ursachen haben gleichförmige Wirkungen. Je mehr also der Staat mitwirkt, desto ähnlicher ist nicht bloß alles Wirkende, sondern auch alles Gewirkte.“2
Seinen Aufsatz endet Humboldt deshalb mit der radikalen Schlussfolgerung:
„Öffentliche Erziehung scheint mir daher ganz außerhalb der Schranken zu liegen, in welchen der Staat seine Wirksamkeit halten muss.“3
Die Gleichförmigkeit, die durch den Staat in unserer Bildung gelangt ist, wirkt wohl an keiner Stelle so offensichtlich wie in unserem Abschlusssystem. Warum hier nicht mehr Diversität wagen?
Durch den BildungsBrief möchten wir dazu ermuntern, mannigfaltigere Abschlussformate auszuprobieren. Wir freuen uns, wenn neben dem BildungsBrief noch weitere neue Abschlüsse entstehen, die unsere Bildungslandschaft diverser und bunter machen.
1 Wilhelm von Humboldt, Wie weit darf sich die Sorgfalt des Staats um das Wohl seiner Bürger erstrecken?, in Wilhelm von Humboldt Schriften zur Bildung, Stuttgart, 2017, S. 76.
2 Wilhelm von Humboldt, Wie weit darf sich die Sorgfalt des Staats um das Wohl seiner Bürger erstrecken?, in Wilhelm von Humboldt Schriften zur Bildung, Stuttgart, 2017, S. 85.
3 Wilhelm von Humboldt, Wie weit darf sich die Sorgfalt des Staats um das Wohl seiner Bürger erstrecken?, in Wilhelm von Humboldt Schriften zur Bildung, Stuttgart, 2017, S. 104.